Matti, der Pastorenkater

 

 

 

Eigentlich heiße ich Matti, nach Matthäus, dem Evangelisten, was der vor langer Zeit aufgeschrieben hat, findet mein Katzenpapa nämlich besonders gut. Ihr könnt das auch alle nachlesen, in dem dicken Schinken, der Bibel heißt. In dem liest mein Katzenpapa ganz oft, wenn er seine Predigten vorbereitet. Aber hier im Dorf kennen mich alle nur als den Pastorenkater. Nicht nur, weil ich mit meiner Familie im Pfarrhaus wohne, sondern, weil ich genau so aussehe, wie mein Katzenpapa am Sonntag oder an den anderen Tagen, an denen er arbeitet. Dann trägt er auch immer schwarz mit einem weißen Beffchen am Hals, wenn er in der Kirche predigt. Das ist sozusagen seine Dienstkleidung, die hat er auch an, wenn er Leute miteinander verheiratet oder jemand aus der Gemeinde verstorben ist. Er besucht alte und kranke Gemeindemitglieder und kümmert sich um ganz viele andere Dinge. Dabei helfe ich ihm so gut ich kann, jedenfalls seitdem wir hier wohnen. Als die Familie noch in der Stadt gelebt hat, da ging das nicht. Das ist allerdings so lange her, daran erinnere ich mich fast kaum noch, damals war ich ja auch noch ganz klein. Außerdem finde ich es hier, in unserem kleinen Dorf viel schöner, weil ich nach draußen darf, wann immer ich mag. Ich habe sogar einen  eigenen Eingang, durch meine Katzenklappe kann nur ich reinkommen. Für andere Katzen bleibt sie verschlossen, weil ich einen Chip gekriegt habe. Deshalb geht die von ganz allein auf, wenn ich komme. Das mit dem Chip ist eine gute Sache, und hat fast gar nicht weh getan, als ich das Ding unter die Haut eingepflanzt bekommen habe.

 

 

 

Mein Katzenpapa heißt übrigens Daniel, seine Frau ist meine Katzenmama Helke und die Kinder der beiden sind David und Esther. Wir wohnen alle in dem alten Pfarrhaus, direkt neben dem Friedhof und der kleinen, alten Kirche. Das ist eine Warftkirche, wie es heißt, weil sie auf einem Hügel erbaut worden ist. Hier, in der Nähe des Meeres, haben die Leute früher Schutz in der Kirche gesucht, wenn es Sturmfluten gab und alle Angst haben mussten, die Deiche würden nicht halten, und das Wasser könnte bis ins Dorf laufen. Unsere schöne Kirche ist im Lauf der vielen Jahre schon ganz schief geworden. Manchmal habe ich direkt Angst, sie kippt um und fällt mir womöglich noch auf den Schwanz. Aber Daniel meint, sie hat schon so viele Jahre auf dem Buckel, da wird sie uns alle sicher noch überleben, und wir sollen doch einfach Gottvertrauen haben! Na ja, …

 

 

 

Mit der Kirche unserer Nachbargemeinde  sieht es nicht viel besser aus. Die ist auch ziemlich alt, und unser Familienvorstand muss sich um beide Gemeinden kümmern. Deshalb predigt am Sonntagmorgen abwechselnd mal hier zuhause und mal in der Nachbarschaft. Er hat viel zu tun, und ich helfe ihm dabei, so gut ich eben kann. Wenn er hier bei uns im Dorf jemanden besucht, dann laufe ich immer mit. Wenn es für uns zu Fuß zu weit ist, dann nehmen wir sein Fahrrad. Extra für mich hat er hinten, auf dem Gepäckträger, ein Körbchen montiert, darin liegt ein schön weiches Kissen. Wenn er das Rad aus dem Schuppen holt und fragt: „Matti, willst Du mit?“, dann bin ich meistens ganz schnell zur Stelle und springe mit einem Satz in mein Körbchen. Wenn ich mal nicht da bin oder keine Lust habe mitzukommen, dann sind die Leute oft enttäuscht. Das weiß ich genau, deshalb richte ich es in der Regel so ein, dass ich mitgehen kann. Vor allem die kranken Leute, die nicht aus dem Haus kommen, die freuen sich immer ganz besonders, wenn wir sie besuchen, um ihnen Kraft und Trost zu spenden. Auch dafür ist ein Pastor zuständig, wie Daniel immer sagt. Klar, ab und zu fällt dabei für mich auch ein Leckerchen ab, aber glaubt nicht, dass ich es nur deshalb tue – nein, ich bin ein Pastorenkater, das verpflichtet!

 

 

 

Wenn die Kirche sauber gemacht oder für ein besonderes Fest geschmückt wird, dann bin ich auch oft dabei und schaue zu, ob die Frauen auch alles richtig machen. Wenn am Sonntagmorgen die Glocken zum Gottesdienst läuten, dann schlüpfe ich mit in die Kirche. Da hinten, in der Nähe der Kanzel, da habe ich meinen Stammplatz. Von da aus kann ich alles mitkriegen, ohne selbst von den Besuchern  des Gottesdienstes gesehen zu  werden, obwohl die meisten wissen, dass ich da bin. Solange ich nicht störe und mich ganz still verhalte, darf ich das auch. Ab und zu heiraten ja mal Leute, dann wird die Kirche besonders schön geschmückt, das lasse ich mir nur ganz selten entgehen. Manche wünschen sich sogar, dass ich auf jeden Fall dabei bin – als Glücksbringer für das junge Paar!

 

 

 

Fast noch schöner finde ich allerdings Weihnachten, denn dann steht immer eine ganz hohe Tanne, die mit Strohsternen und echten Kerzen geschmückt ist, direkt neben dem Altar. Die ist viel größer, als der Weihnachtsbaum in unserem Wohnzimmer. Aber die Weihnachtsbäume soll ich in Ruhe lassen, das hat mir Helke eingebläut! Die Tannen in den Häusern stehen nicht so fest, wie die im Garten oder im Wald. Außerdem pieksen die so tüchtig, da fällt es mir gar nicht schwer, sie in Ruhe zu lassen. Wenn die echten Kerzen, die in den beiden schweren Leuchtern, die an der Decke hängen, dann auch angesteckt werden, und die ganze Kirche hell erstrahlt, das ist ganz besonders feierlich! Besonders am Heiligen Abend freuen sich alle Menschen, und die Kinder sind ganz aufgeregt, unsere beiden natürlich auch! Wenn Daniel beide Gottesdienste dann hinter sich hat, dann können wir endlich auch Weihnachten feiern. Dann gibt’s besonders gutes Essen und alle kriegen alle ein Geschenk – ich auch!

 

 

 

Aber im letzten Jahr, zum Erntedankfest, da gab es einen kleinen Zwischenfall, den werden wir alle sicher nicht so schnell vergessen. Wie jedes Jahr, hatte meine liebe Katzenmama Helke, mit Esther, David und einigen anderen Helfern, die Kirche schön geschmückt und an jede Kirchenbank ein Erntesträußchen gebunden. Vor den Altar hatten sie einen riesengroßen, schweren Strohballen gewuchtet. Darauf wurde dann das gespendete Obst und Gemüse schön hingelegt. Alles war wie immer an diesem Tag. Die Kirche war sogar rappelvoll, wie sonst nur zu Weihnachten, die Orgel dröhnte, und ich saß wieder auf meinem gewohnten Platz hinter der Kanzel, als ich eine Bewegung wahrnahm. Konnte das denn wahr sein? Da lugte doch glatt eine winzige Maus hinter dem Strohballen hervor. Außer mir dürfen keine andern Tiere in unsere Kirche; und ich darf das auch nur mit einer Sondergenehmigung. Schließlich bin ich der Pastorenkater! Einen kleinen Augenblick habe ich gezögert, aber dann bin ich los geprescht, hinter der Maus her. Na warte, Dir will ich helfen, dachte ich dabei. Außer mir hatten auch einige Kinder, ganz vorn in der ersten Bank, die Maus entdeckt, und ein kleines Mädchen fing sofort an zu kreischen. Danach brach ein fürchterlicher Tumult los.

 

„Eine Maus, Hilfe, eine Maus!“, schrien mehrere Frauen, und einige wollten sogar auf die Bänke steigen, wurden aber von ihren Männern daran gehindert. So benimmt man sich doch nicht in der Kirche, meinten sie. Stimmt ja auch, die sollen sich bloß nicht so anstellen, nur wegen einer blöden Maus! Mit der werde ich doch allemal fertig. Die Maus war bestimmt verängstigt, allein schon von dem Krach und ziemlich clever war sie auch, das muss ich, wenn auch ungern, zugeben. Der Organist hörte auf zu spielen, die Maus rannte kreuz und quer durch die Kirche und ich und einige Jungs hinterher, das war ein Spaß! Es hat eine ganze Weile gedauert, aber am Ende habe ich sie natürlich zur Strecke gebracht und mir die Maus geschnappt. Damit war die Sache erledigt, und alle konnten sich beruhigen und sich auch wieder hinsetzen. Ich habe meine Beute vorsichtig ins Mäulchen genommen und bis ganz nach vorn gebracht, direkt zu dem Obst und Gemüse habe ich sie gelegt, sozusagen als meinen Beitrag zu dem Erntedankfest. Alle haben gelacht und fröhlich Beifall geklatscht, als ich den breiten Mittelgang zwischen den Bänken hindurch marschiert bin. Unter uns, ich glaube, Helke, meine Katzenmama, war nicht gerade begeistert, die guckte so komisch. Später hat auch mein Katzenpapa Daniel noch mit mir geredet und mir erklärt, dass ich so was nicht wieder machen darf. Sollte sich jemals wieder eine Maus in unsere Kirche verirren, dann soll ich Gnade vor Recht ergehen und sie in Gottes Namen laufen lassen. Die  kriegt dann Kirchenasyl, und ich Ärger, und darf nicht mehr mit in die Kirche, wenn ich mich nicht daran halten sollte.

 

Ob er das wirklich ernst gemeint hat?