Leseprobe:      "Kleine Lebenssplitter"

 

 

Flughafen Hongkong

 

Ich war mit einigen Kollegen unterwegs, um unsere neue Fabrik in Manila zu besichtigen. Wie erwartet, war diese sehr moderne  Produktionsstätte recht eindrucksvoll. Die Bevölkerung der Insel begrüßte es sehr, dass dadurch etliche weitere Arbeitsplätze geschaffen worden waren. Außerdem waren die Bedingungen für dortige Verhältnisse sehr gut, und die Leute arbeiteten entsprechend gern für unseren Chef. So wurden wir in dem neuen Werk alle sehr fröhlich empfangen, und verlebten einige wunderbare Tage dort, bevor es zurück nach Hause ging.

 

 

 

Zwei Tage in Hongkong hatten wir uns zusätzlich gegönnt. Diese riesige Metropole war natürlich ein großer Gegensatz zu der schönen Insel, aber total faszinierend und mit viel Flair. Hongkong gehörte damals noch zu Großbritannien,  und auch das war deutlich zu spüren! Allein die Landung auf dem alten Flughafen war ein Erlebnis, und nur sehr erfahrene Piloten durften zu der Zeit dort landen! Nach vielen schönen und interessanten Eindrücken freuten wir uns nun alle wieder auf den Rückflug. Unseren Lieben daheim hatten wir viel zu erzählen! Da wir alle einige Souvenirs und auch etliche Muster mitnehmen sollten, bat mich unser Chef  ihm schon  eines seiner Gepäckstücke abzunehmen, während er noch einige Besorgungen machen wollte. Kein Problem dachte ich und nahm seinen nagelneuen, edlen schwarzen Musterkoffer mit dem Zahlenschloss mit. Als ich bei der Gepäckkontrolle an der Reihe war, fragte mich der diensthabende Sicherheitsbeamte: „Ist das Ihr Koffer?“ Wahrheitsgemäß verneinte ich das und versuchte dem Mann klar zu machen, was es mit dem Koffer auf sich hatte. „Aufmachen!“, forderte er mich barsch auf.

 

„Das kann ich nicht, ich kenne die Zahlenkombination des Schlosses nicht“, wandte ich ein. Nun  wurde es richtig ungemütlich, denn auf einen Wink des Beamten standen plötzlich rechts und links neben mir zwei weitere Uniformierte. Jeder mit einer Maschinenpistole im Anschlag. Solch eine Situation ist wahrhaftig kein Spaß! Aber wo blieb nur mein Chef? Mir wurde regelrecht angst und bange – denn chinesische Gefängnisse sollten ja recht unangenehm sein, so hatte ich gehört. Aber den Koffer so ohne weitere aufbrechen und damit unbrauchbar machen, das wollte ich auch nicht. Was konnte ich  in so einer Situation aber anderes tun?

 

 

 

Keiner der Kollegen war in der Nähe oder doch? Vorsichtig sah ich

 

mich um und entdeckte, einige Meter weiter, zum Glück doch meinen Freund Wilfried, der nun zielstrebig auf unsere Gruppe zusteuerte.

 

„Was ist denn hier los?“, rief er schon von weitem. Meine Erleichterung ihn zu sehen, war riesig! Endlich war Verstärkung in Sicht. Noch einmal wurden wir barsch aufgefordert sofort den vermeintlich bedrohlichen Koffer zu öffnen. Natürlich konnte Wilfried das ebenso wenig wie ich.

 

„Ich gehe jetzt sofort los und suche den Chef. Bleib ganz ruhig, ich weiß auch wo Dieter und Markus sind, die sollen mir helfen!“, schlug er vor. Glücklicherweise stimmten die Beamten dem zu, aber ich musste natürlich dort bleiben, und auch die Maschinengewehre wurden vorerst noch nicht beiseite gelegt. Das hat man nun von seiner Hilfsbereitschaft, schoss es mir durch den Kopf, während ich verzweifelt auf die Rückkehr von Wilfried und Herrn Althaus wartete. Endlich bogen die beiden im Eiltempo um die Ecke. Meine Erleichterung war wirklich unbeschreiblich groß!

 

 

 

Schnell wurde das mysteriöse Gepäckstück geöffnet und die Mustertrafos darin konnten vorgezeigt, sowie deren Funktion erklärt werden. Natürlich war alles in bester Ordnung, und wir durften endlich einchecken! Aber noch im Flugzeug schlug mit das Herz vor lauter Aufregung bis zum Hals. Da nützte auch die verlegene Entschuldigung von Herrn Althaus nicht viel. Was mir letztlich half, war der gute Whisky, den die Stewardess mir zur Beruhigung servierte.

 

 

 

Zuhause konnte ich dann von einem besonderen Abenteuer berichten – auf das ich allerdings gern verzichtet hätte!